Moin, Moin,
da wo ich herkomme würde man wahrscheinlich eher Servus sagen.
An die kurze norddeutsche Begrüßung habe ich mich in den letzten 8 Monaten schon sehr gewöhnt. So sehr, dass wenn ich mal auf Heimaturlaub 12 h nach Bayern mit der allseits verspäteten deutschen Bahn fahre, beim Aussteigen den Schaffner mit Moin begrüße. Ich heiße Rebecca, bin in einem kleineren Vorort von München aufgewachsen und für mein freiwilliges kulturelles Jahr ans andere Ende Deutschland ins wunderschöne, sehr platte Nordfriesland gezogen.
Nach meinem Abitur im Mai 2019 wollte ich von daheim ausziehen.
Weg von meinem gewohnten Umfeld und den vertrauten Menschen und Straßen. Ich wollte nicht nur eine landschaftliche Veränderung, sondern die Mentalität der Nordfriesen kennenlernen. Mein FKJ im Charlottenhof in Klanxbüll begann insofern sehr außergewöhnlich, als dass ich meine Einsatzstelle und meine Chefin vor der Unterzeichnung meines Arbeitsvertrages kein einziges Mal persönlich getroffen habe. Das Bewerbungsgespräch führten wir über Skype und obwohl ich nur erahnen konnte, auf was ich mich einlassen würde, spürte ich, dass es die richtige Entscheidung ist aus München wegzugehen und mein Abenteuer in Nordfriesland zu beginnen.
Meine Arbeitsstelle ist ein reetgedeckter Vierkanthof, der ehemals landwirtschaftlich genutzt zu einem stilvolleingerichteten Kultur-und Veranstaltungshaus umgebaut wurde. Der Charlottenhof dient nicht nur als Location für Feiern, sondern bietet auch die Möglichkeit sich standesamtlich trauen zu lassen. Im Frühjahr, Sommer und Herbst erfreut sich die Region an einem abwechslungsreichen Kulturprogram, dass von Rockkonzerten über Jazzbrunches und Poetry Slam bis hin zu einem tollen Kinderprogramm reicht. Besondere Highlights sind der jährliche Oster-und Weihnachtsmarkt, welche vom FKJler organisiert werden.
Bevor ich am 1.September die Arbeit meiner Vorgängerin übernahm, verbrachte ich 2 ereignisreiche Wochen während der Hauptsaison für ein Praktikum in Klanxbüll.
In diesen Tagen, lernte ich Vereinsmitglieder des Fördervereins „Freunde des Charlottenhofes“ kennen und durfte meine ersten Cocktails mixen.
Ende August zog ich dann in die Bahnhofstraße in Klanxbüll ein und betrat meine erste eigene Wohnung. Ein FKJ im Charlottenhof ist, egal wo man herkommt, mit einem Umzug verbunden. Die Wohngemeinschaft hinter dem Infozentrum besteht aus dem FÖJler, dem FKJler vom Kulturbüro in Niebüll und dem FKJler des Charlottenhofes. Bereits seit 17 Jahren gibt es dieses Konzept und jedes Jahr aufs Neue ziehen drei junge Menschen nach Klanxbüll, um ein Jahr miteinander zu leben. Mit meinen WG-Mädels habe ich schon viele tolle Koch, Film und Partyabende verbracht. Bei Veranstaltungen haben sie mit mir schon die ein oder andere Nacht hinterm Tresen Bier ausgeschenkt und zu den Songs von regionalen Coverbands gesungen.
Die Arbeit in einem Kulturbetrieb ist sehr vielfältig und abwechslungsreich.
Meine tägliche Arbeit im Büro beinhaltet den E-Mailverkehr und Telefonate mit Kunden, die Presse-und Öffentlichkeitsarbeit, sowie den direkten Kontakt mit Vereinsmitgliedern und Besuchern des Hofes. Unteranderem bin ich zum großen Teil für die privaten Feiern im Charlottenhof zuständig. Das heißt, dass ich bei Anfragen von Hochzeitsgesellschaften Hofführungen anbiete und mich um die rechtlichen Angelegenheiten, wie Mietverträge und Rechnungen, kümmere.
Bei standesamtlichen Trauungen gestalte ich den Sektempfang und stehe darüber hinaus unseren Kunden jederzeit bei Fragen zur Verfügung.
Bevor wir ein Kulturprogramm in den Druck geben können, entwerfe ich die inhaltliche Gestaltung, gleiche Daten und Uhrzeiten ab und schreibe einen kurzen Informationstext über die jeweilige Band.
Bei Veranstaltungen bin ich für die Vor-und Nachbereitung zuständig und begrüße die Künstler. Zusätzlich stehe ich während des Abends mit den ehrenamtlichen Helfern des Hofes hinter dem Tresen und helfe beim Getränkeausschank. Als FKJler trage ich bei solchen Abenden recht viel Verantwortung, da man sowohl für Besucher, als auch für Helfer und Künstler Ansprechpartner ist und zu jederzeit wissen muss, wo was wann ist. Dennoch habe ich immer die Unterstützung der Helfer und kann mich jederzeit bei meiner Chefin Bärbel Nissen-Schütt telefonisch melden und um Rat fragen. Man lernt über sich selbst hinauszuwachsen, eigenverantwortlich zu handeln und Ideen einzubringen. Sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen gehören dazu, denn wie heißt es immer:
„Das Leben ist kein Wunschkonzert“.
Obwohl die nächste „Großstadt“ 13 km entfernt ist, bin ich in den letzten 6 Monaten mit vielen unterschiedlichen Menschen in Berührung gekommen. Von Künstlern über Bandmanager, Gastronomen und Vereinsmitgliedern bis hin zu treuen Konzertbesuchern und einheimischem Publikum.
Eine großartige Möglichkeit außerhalb von Nordfriesland junge Menschen zu treffen, ist auf den Scheersberg-Seminaren der LJK. Die Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Schleswig-Holstein ist der Träger mit dem mein FKJ im Charlottenhof organisiert wird und verantwortlich für die rechtlichen-und versicherungstechnischen Arbeitsauflagen der Freiwilligen. Fünfmal im Jahr gibt es verpflichtende einwöchige Seminare auf dem Jugendhof in Steinbergkirchen. Dort kann man sich mit anderen Freiwilligen aus Schleswig-Holstein über seine Einsatzstelle und Arbeit austauschen und an tollen kreativen Workshops, wie z.B.: Steinbildhauerei, Poetry Slam oder Musicalinszenierungen ausprobieren. Für mich waren die zwei Seminare, die ich bis jetzt erleben durfte eindeutig Highlights während meines kulturellen Jahres, da ich so Mädels und Jungs aus Kiel, Hamburg und Umgebung kennengerlernt habe mit denen ich auch weiterhin Kontakt haben werde.
Mein FKJ in Nordfriesland war und ist für mich wie eine Halligfahrt mit sehr kraftvollen Hochs und Tiefs. Gemeinsam mit meiner Schiffsbesatzung, bestehend aus meinen WG-Mädels die für mich eine große Stütze sind und die ich für immer in mein nun geteiltes nordfrisches und bayerisches Herz geschlossen habe und meiner Chefin Bärbel, die immer ein offenes Ohr für mich hat und mit der ich viele lustige und sehr arbeitsreiche Stunden in unserem kleinen Büro verbracht.
Noch ist mein Jahr aber nicht zu Ende. Seit Anfang März der Covid-19 Virus weltweit ausgebrochen ist und Ausgangssperren Menschen gezwungen haben daheim zu bleiben, hat sich die komplette Arbeitsweise verändert. Auch ich war im Homeoffice. Der Charlottenhof als Veranstaltungshaus ist stark vom Tourismus sowie Konzerten und Hochzeiten abhängig. Nachdem leider unser gesamtes Frühjahrsprogramm abgesagt wurde und die letzten Terminverschiebungen für private Feiern in 2021 vorgenommen wurden, ist unsere große Hoffnung das Sommerprogramm. Einige Mit-FKJler und Freundinnen von mir, wurden leider auch schon aufgrund von fehlender Arbeit oder Zwangsschließungen von ihren Einsatzstellen gekündigt oder nach Hause geschickt. Ich hoffe, dass sich die letzten 4 Monate meines FKJs trotz Corona noch produktiv gestalten werden und freue mich auf meinen ersten, aber bestimmt nicht letzten Sommer in Nordfriesland.